Definitiv beides! Es war eine kurzfristige Entscheidung Ende Jänner gemeinsam mit zwei sehr guten Freunden, Nicolai Uznik und Michael Piccolruaz, in die USA zu fliegen. Ziel waren die Red Rocks nahe Las Vegas und ein relativ schwerer Boulder. Das Video zeigt den Prozess, den ich im Sleepwalker, einem 8C+ Boulder, durchlebt habe. Vom Schwierigkeitsgrad her der schwerste Boulder, den ich je probiert habe, und doch hatte ich mir Chancen ausgerechnet, ihn relativ schnell zu schaffen. Im Video sieht man die Struggles, aber auch, wie genial die Stimmung ist, wenn wir gemeinsam bouldern.
Ich bin immer noch überzeugt, dass ich es draufgehabt hätte, den Boulder zu klettern und ein paar Entscheidungen etwas anders zu treffen, hätten das Resultat verändert. In so einem Prozess lernt man immer sehr viel über den Boulder selbst. An den ersten Tagen war es viel zu kalt und somit viel zu trocken, eigentlich unmöglich zu klettern. Wir haben da sicherlich körperlich zu viel investiert und Haut zerstört, die mir zum Ende hin schlichtweg gefehlt hat. Mit zwei Cuts an den Fingern in so einen Boulder zu gehen, ist alles andere als ideal. Der ein oder andere Ruhetag mehr und mehr Haut für die besseren Bedingungen gegen Ende des Trips – das wäre das bessere Rezept gewesen.
Früher hat es mir im Vorstieg immer am meisten Spaß gemacht, viele Routen im zweiten, dritten Versuch zu klettern – schwierig genug, dass ich sie nicht onsight oder flash schaffe, aber auch nicht so schwierig, dass ich ewig herumprobieren muss. Davon möglichst viele in einem Trip abzocken, das war auch im Bouldern lange mein Ziel.
Es ist natürlich cool, wenn man zum ersten Mal in den Rocklands in Südafrika ist, all die Klassiker auf einen Haufen hat und einfach mal durchgeht und sehr, sehr viele Boulder macht, die knapp unter dem eigenen Niveau sind. Das fasziniert auch andere Leute, wenn man quasi alles innerhalb kürzester Zeit abgrast.
In den letzten Jahren habe ich immer mehr begonnen, mir ein ganz schweres Projekt zu suchen und an dem zu arbeiten. Perfecto Mundo ist dafür ein Beispiel – da habe ich gemerkt, wie viel ich über mein eigenes Klettern am Fels dazulerne. Alles muss perfekt sein, wenn man so ans Limit geht.
Diese Herangehensweise macht nicht zwingend mehr Spaß, aber es hilft, wenn man sich verbessern will. Das macht es für mich spannend.
Im Bouldern war ich bisher relativ wenig am Probieren und Projektieren und Sleepwalker mein erster Trip unter diesem anderen Gesichtspunkt. Hat sicherlich nicht so viel Spaß gemacht, als wenn ich jeden Tag einen anderen Boulder probiert hätte. Allerdings bin ich mit dem Gefühl zurückgekommen, viel dazugelernt zu haben.
Diesmal ist es tatsächlich nicht gut ausgegangen, normalerweise komme ich doch noch irgendwie rauf und hab dieses wahnsinnige Glücksgefühl. Jetzt habe ich lernen müssen, dass man das nicht immer haben kann und würde deswegen sagen, dass es die richtige Entscheidung war.
Nach wie vor glaube ich, dass 8C+ nicht mein Limit sein muss, es kommt immer ein wenig auf den Boulder drauf an und wie sehr dieser mir entgegenkommt. Beim Sleepwalker hatte ich diese Hoffnung, dass er mir nach ein paar Tagen gelingen würde, musste allerdings schnell feststellen, dass ich mehr investieren werde müssen und das war schon mal ein wenig frustrierend. Das Ego hat man schließlich auch im Gepäck. Als Kletterer will man in jedem Stil gut sein, will wenig Schwächen haben. Bei diesem Trip haben ich und das ganze Team ein paar Defizite aufgezeigt bekommen. Besonders auf den Untergriffen habe ich mich zu Beginn sehr verloren gefühlt. Am Abend nach einer Session überlege ich extrem viel, was ich besser machen kann. Am Anfang geht es viel darum, die passende Variante für sich selbst zu finden. Was kann der Trick sein, der für mich funktioniert? Vor dem Einschlafen gehe ich den Boulder mehrere Male im Kopf durch. Am Tag selbst geht es darum, sich alles sehr gut einzuteilen, sich immer voll auf den jeweiligen Versuch zu konzentrieren und in diesem Go alles aus sich herauszuholen. Danach brauchst du eine Pause, nicht nur physisch, sondern besonders auch mental. Du kannst dich nur wenige Male hintereinander in den Beast-Mode versetzen.
Untypische Situation – ja und nein. Es kommt immer sehr darauf an, wo man seine Zeit verbringt. La Cappella beispielsweise ist mir extrem entgegengekommen, die Red Rocks mit dem Sleepwalker nicht ganz so. Man ist nicht in jeder Phase gleich fit, aber am Selbstvertrauen nagt das nicht sofort. Ich fühle mich jetzt im Training wieder sehr gut und habe mich auf die Weltcupvorbereitung konzentriert, auch wenn ich dieses Jahr am Felsen einiges vorhabe. Was ich sicherlich lernen durfte, ist, dass ich beim Projektieren eines Boulders am Felsen bei weitem noch nicht so erfahren bin wie im Routenklettern. Beim nächsten Mal muss ich es auf jeden Fall taktisch besser angehen, mit Pausetagen, Versuchen und in der mentalen Vorbereitung.
Die Schwächen, die uns allen in den Red Rocks aufgezeigt wurden, motivieren enorm fürs Training danach. Ich habe sicherlich mehr reingesteckt, als ich das vielleicht sonst getan hätte und nochmal härter an mir gearbeitet. Das hat mir definitiv was für die Weltcupsaison gebracht, ich fühle mich sehr gut vorbereitet.
Im Bouldern ist das immer sehr schwer vorherzusehen. In den letzten Jahren waren die ersten ein bis zwei Weltcups leider nicht sehr ertragreich, ich habe nie das Halbfinale überstanden. Daher ist es heuer mein Ziel, schon bei den ersten Weltcups gut reinzukommen, das Halbfinale zu erreichen und mich wohlzufühlen. Die Qualifikation ist für mich immer die schwierigste Runde, im Halbfinale werden die Boulder schwerer und ich tue mir meistens leichter, habe eine weitaus höhere Erfolgsquote von dort aus ins Finale zu kommen. Somit erstmal volle Konzentration auf die Qualifikation. Vor allem auf technischen Bouldern und Platten bin ich besser vorbereitet als in der Vergangenheit und freu mich auf die Herausforderung.
Bildnachweis: Michael Piccolruaz